Teilnehmer: Peter Schuster

Datum: 6./7.7.1995

Km: 1000

Schweren Herzens hatte ich mich von der guten CBX getrennt und war auf die „Super Tenere“ umgestiegen. Verwundert rieb ich mir die Augen, als ich unmittelbar nach dem Kauf in einer Zeitschrift zum ersten Mal ihren Spitznamen „Gummikuh“ las. Aber schon nach den ersten Kilometern blickte ich durch – dieses Motorrad war nicht gerade leicht zu fahren. Das Fahrwerk war weich und schwammig, nach der CBX keine leichte Umstellung. Ich glaube, wer dieses Teil einmal beherrscht, der kann von sich behaupten, Motorradfahren zu können.

Natürlich wollte ich mit ihr so schnell wie möglich in den Schotter, denn dafür hatte ich sie ja gekauft.  Dazu suchte ich mir die beiden damaligen Geheimtipps Brenner Grenzkammstraße und die Markinkele bei Toblach aus.

Die Auffahrt zur Brennergrenzkammstraße beginnt fast unmittelbar hinter der Grenze auf der italienischer Seite. In dem nur aus zwei Häuslein bestehenden Ort Brennerbad geht rechts ein kleines, unscheinbares Sträßchen nach oben, welches im weiteren Verlauf an zahlreichen alten Erste-Weltkriegsfestungen vorbei bis auf über 2100 m Höhe führt. Sein Ende findet die Schleife in Gossensaß.

Obwohl es schon Juli war, lag oben noch ziemlich viel Schnee. Ich brauchte für die fast 40 km über 3 Stunden und traf auf der ganzen Strecke keine Menschenseele. Auf den Bildern unten sieht man eine verschneite Stelle, über die ich mich heute wahrscheinlich nicht mehr trauen würde, noch dazu alleine unterwegs. Aber damals … – und auch da ging nicht alles glatt.  Ich war wirklich stecken geblieben. An einer Stelle, wo von rechts eine Schneewehe fast die ganze Straße versperrte, kippte mir die Tenere, zum Glück zum Hang und nicht nach unten. Als die Gummikuh im Schnee lag, fuhr mir, ähnlich einem Blitzschlag, ein Adrenalinstoß durch den ganzen Körper, wie ich es bisher noch nie erlebt hatte . Ich kann mich noch so deutlich an alles erinnern, als wäre es gestern gewesen. Ich riss mir den Helm vom Kopf, durch mich schoss eine Hitzewelle und ich dachte nur:  „Die bekommst du da nie mehr raus.“ Da lag sie nun, auf über 2000 m und weit und breit keine Menschenseele. Es kostete mich alle Kraft, das Bike überhaupt aufzurichten und darauf zu achten, dass sie nicht nach links von der Straße stürzte – und alles bei nur einer Reifenbreite Platz. Mit viel Dusel und meiner ganzen Kraft schaffte ich es aber schließlich doch und bekam wieder schneefreien Schotter unter den Reifen. Ich blickte nach vorne, der weitere Straßenverlauf  war durch eine Felswand, hinter der der Weg verschwand, nicht einsehbar. „Um Gottes Willen, wie wird das wohl weiter gehen? Wenn jetzt plötzlich irgendwo da hinten endgültig Schluss ist, umdrehen und  hier noch einmal durch?“  Zum Glück ging alles glatt, die schwierigste Stelle lag bereits hinter mir.

Ich war gerade im zarten Alter von 37 Jahren. Wenn ich Schotter unter dem Reifen hatte und es ging den Berg hoch, war meine Abenteuerlust und mein Entdeckerdrang nicht mehr zu bremsen.

(Die Bilder wurden von Dias eingescannt – bitte die Qualität entschuldigen)


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