Freitag, 06.05.16 (19. Tag)

Pünktlich um 9 Uhr morgens stehen wir frierend vor der Agentur, bei der wir tags zuvor die Minentour gebucht haben. Die Temperatur sank Nachts nahe an den Gefrierpunkt, wogegen es tagsüber in der Sonne angenehm warm ist. Der Preis pro Person betägt 70 Bolivianos, etwa 9 Euro.

Mit einem der unzähligen Kleinbusse geht es in Richtung Cerro Rico, zum Fuß des Berges.

Der erste Halt ist am Markt der Mineros, an dem wir Geschenke für die Minenarbeiter kaufen: Cocazigaretten, Cocablätter, 96%igen Schnaps und Saftgetränke. An einer Abraumhalte halten wir dann wieder. Von hier aus hat man einen fantastischen Blick über Potosi. Danach geht’s zu einer kleinen Hütte zur Einkleidung. Jeder bekommt einen Helm mit Lampe, Jacke, Hose und Gummistiefel. „Ist denn der ganze Aufwand wirklich nötig,“ denke ich noch und bin 2 ½ Stunden später froh über jedes Teil der Ausrüstung.

Weiter zum Mineneingang. Im Entenmarsch geht es langsam in den Berg. Zum Glück passt die Höhe und selbst Karl, Hermann und ich können meist aufrecht gehen. „Attention guys,“ warnt uns plötzlich unsere englischsprachige Führerin und wir hören schon das Gerumpel. Eine vollbeladene Lore, geschoben von zwei vollkommen verdreckten Bergleuten, kommt auf uns zu. Doch wohin ausweichen, in dem engen Gang? Wir quetschen uns an die feuchte Wand und die über eine Tone schwere, bis obenhin mit Gesteinsbrocken gefüllte Lore donnert nur Zentimeter an uns vorbei. Und schon nach zwei Minuten wissen wir, diese Führung wäre so in Deutschland nie und nimmer möglich. Langsam dringen wir tiefer in den Berg ein, müssen aber immer wieder Loren aus beiden Richtungen Platz machen.

Im Lauf der Führung erfahren wir, dass die Mineros am Tag 100 Bolivianos, das sind etwa 12 Euro, für die 9 Stunden brutalste Knochenarbeit im Berg bekommen. Jeder sieht aus, abgesehen davon, dass sie von oben bis unten verdreckt sind, als käme er frisch vom Zahnarzt. Einer der Backen ist dick geschwollen. Inzwischen wissen wir natürlich schon, dass sie Cocablätter im Mund haben. „Der Vorrat hält ungefähr 4 Stunden,“erkärt unser Guide, „so verspüren die Arbeiter weder Müdigkeit noch Hunger.“ Na toll, denke ich mir, ist bestimmt sehr gesund – diese armen Schweine. Ein etwas naives Mädchen aus Israel fragt beim Guide nach, warum sich die Arbeiter keine andere Arbeit suchen? Es gibt hier nichts anderes, ist die einfache Antwort.

Im Verlauf der Führung sehen wir, wie eine Lore durch eine Rutsche gefüllt wird (d. h. wir sehen fast nichts, so staubt es), wie 4 Mineros unter unglaublicher Anstrengung eine gefüllte Lore, die aus dem Gleis gesprungen ist, wieder auf die Schienen bringen und steigen auf einfachsten Leitern 3 Stockwerke tiefer. Wenn ich dran denke, wie diese Leitern installiert wurden, in dieser Enge und diesem Dreck, weiß ich einfach nicht mehr, was ich noch sagen oder denken soll.

Plötzlich zucken wir alle zusammen und halten uns irgendwo ein. Der ganze Berg bebt und ein tiefer Knall folgt dem nächsten. Sprengungen. Unglaublich, wie nahe bei uns!

Als wir nach gut zwei Stunden die Mine wieder verlassen „dürfen“, bin ich doch sichtlich erleichtert, aber auch tief traurig darüber, was diese armen Menschen mitmachen müssen und wie sie ausgebeutet werden.

Morgen geht’s nach La Paz, 560 km, aber alles auf Asphalt – da heißts wieder mal Gas geben.

K1600_Mineros

Mineroes bereit zum Einsatz

K1600_In der Mine

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